Anlegerschutzanwälte pervertieren Anlegerschutz
Bereits vor neun Jahren prangerte die WirtschaftsWoche das Verhalten von sogenannten Anlegerschutzanwälten an. „Profithungrige Anlegeranwälte drängen Tausende von der Finanzkrise gebeutelte Investoren zu Klagen, die zweifelhafte Aussichten auf Erfolg haben”, stellt die WirtschaftsWoche fest – der Artikel „Falschberatung bei Anlegeranwälten” ist aufschlussreich und lesenswert. So soll ein Anlegerschutzanwalt 343 Klagen für Anleger eingereicht haben, welche ausnahmslos abgewiesen wurden. Der entsprechende Senat des Landgerichts empfahl dringend „auch aus Kostengründen” die Berufung zurückzunehmen. Genutzt hatte diese Mahnung wenig: Der Anlegerschutzanwalt legte mit 22 weiteren Klagen nach.
Man kann ahnen, wer am Ende die Kosten für diese Klagewut zu tragen hatte: Viele Anleger hatten nicht nur mit einer schlecht laufenden Kapitalanlage Geld verloren – sie wurden im Anschluss auch noch von Anlegerschutzanwälten geschröpft, womit ihre Verluste immer weiter vergrößert wurden.
Mit einem aktuellen Urteil scheint der Bundesgerichtshof das muntere Treiben der Anlegerschutzanwälte eindämmen zu wollen. Der Kommentar von Rechtsanwalt Oliver Renner, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, zu dem Urteil: „Anleger, die auf eine solche Art und Weise von Anlegerschutzkanzleien geworben worden sind, können daher ggf. den Anwaltsvertrag widerrufen und die Zahlung des Honorars verweigern oder zurückverlangen”.
Bleibt zu hoffen, dass unseriösen Anlegerschutzanwälte mit diesem Urteil das Wasser abgegraben werden kann.
Die Motivation von unseriösen Anlegerschutzanwälten lässt sich anschaulich mit einem Prozesskostenrechner nachvollziehen: Bei einem Streitwert von 50.000 EUR bringt eine außergerichtliche Vertretung dem Anwalt nur ca. 1.800 EUR ein. Gelingt es dem Anwalt, den Anleger zu einer gerichtlichen Vertretung zu bewegen, so schnellt sein Honorar auf ca. 3.500 EUR (1. Instanz), ca. 7.400 EUR (2. Instanz) bzw. ca. 12.700 EUR (3. Instanz) in die Höhe. Das Ende der Fahnenstange ist aber für den erfolglosen Anleger immer noch nicht erreicht: Die Gerichtskosten und die Kosten für den eigenen und gegnerischen Anwalt summieren sich in der Spitze auf ca. 31.900 EUR.
In dieser Form werden Anleger nicht geschützt, sondern ein zweites Mal über den Tisch gezogen.